Zum 21. Geburtstag erhält Ada eine Überraschung: ein Porträt ihres Vaters, den sie nie zu Gesicht bekommen hat. Die Mutter hat den berühmten Dichter Lord Byron verlassen, als Ada noch ein kleines Kind war. 1835, mit 19 Jahren, heiratet Ada William King, den späteren Earl of Lovelace, und wird zu einer der schillerndsten Figuren der frühviktorianischen Gesellschaft Londons. Mit ihren exzentrischen Auftritten auf Bällen und Dinnerpartys und ihren pointierten Meinungen erregt sie Aufsehen. Als sie Charles Babbage und seine Analytische Maschine kennenlernt, ist sie begeistert, denn das gesellschaftliche Parkett ist nicht ihre einzige Leidenschaft: Seit ihrer Jugend beschäftigt sie sich mit Naturwissenschaft und Mathematik.
Werkbeitrag Kanton Zürich 2006; Stipendium der Stiftung Landis & Gyr, sechsmonatiger Aufenthalt in London 2006
Pressestimmen
In der Fachwelt wird Ada Lovelace als erste Programmiererin der Neuzeit bezeichnet, weil sie schriftlich unter Beweis stellte, wie man Bernoulli-Zahlen mit einer Maschine berechnen könnte. Weitaus tiefer geht die Charakterstudie der Zürcher Autorin Anita Siegfried. Sie zeigt eine Frau, deren Genialität mit den gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit kollidierte und die sich zudem exzentrische Freiräume schaffte. Auf dem Nährboden ihrer Fantasie konnte die Liebe zur Wissenschaft gedeihen. Heutzutage wäre sie ein gern gesehener Gast in jeder Talkshow. – Schweizer Illustrierte, 20. August 2007
Doch liegen über Lord Byrons einziger legitimer Tochter «die Schatten ferner Jahre». Anita Siegfried, die ihre Lebensgeschichte als fesselnden Bilderbogen aus dem British Empire aufrollt, stattet das Porträt dieser Dame mit reich nuancierten Farbtönen aus. Ada Lovelace (1815–1852) erscheint als ein Mensch, befähigt zu geistigen Höhenflügen. (…)
Die Vita dieser nicht weniger schillernden Tochter ersteht äusserst farbenreich in Anita Siegfrieds «biografie romancée», deren Opulenz allerdings ohne eine staunenswerte Recherchierarbeit nicht zu denken wäre. Wahre Kabinettstücke enthält dieser Roman eines kurzen, fieberhaft dahinrasenden Lebens: Mit Lust am sprechenden Detail inszeniert die Autorin etwa eine Dinnerparty in den eleganten Räumlichkeiten der Lovelaces, oder sie begleitet Ada und ihren Gatten auf dem Gang durch die erste Weltausstellung im Jahr 1851 in London. Immer wieder glaubt man sich während der Lektüre in einem Panoptikum zu bewegen, so anschaulich ziehen all die Szenen vorüber. (…)
So formt sich das Bild einer Frau, die ihren Intellekt in den Dienst eines grossen Ziels stellte, dieses aber nicht erreicht hat, sondern in Schulden hineingeschlittert und vorzeitig an einer Krebskrankheit gestorben ist. Der Trauer über dieses Lebensfragment kann man sich nach Anita Siegfrieds eindrücklicher Darstellung nicht entziehen. – Neue Zürcher Zeitung, 28. August 2007
Siegfried sieht die Welt durch die Augen ihrer Heldin: überzeugt vom eigenen Genie und getrieben von Wissensdurst; gefangen zwar in einem kränkelnden Körper, doch weich gebettet in den Privilegien des Adels. Dann und wann wechselt die Autorin die Perspektive, berichtet etwa aus der Sicht eines Dienstmädchens.
Das Buch liest sich gut. Viel Recherche steckt dahinter. Gelungen sind die bildstarken Einblicke ins frühviktorianische England, zum Beispiel, wenn Ada in dem von Cholera verseuchten London 1837 von ihrem Arzt mit einer Paste aus Knoblauch und Kakerlaken behandelt wird. Oder wenn sie 1851 staunend durch die erste Weltausstellung in London geht. – Tagesanzeiger, 10. Oktober 2007
Anita Siegfried ist ein einfühlsamer Roman über diese exzentrische Frau gelungen. Die ein selbstbestimmtes Leben führte, auch wenn sie dies in Konflikt mit den starren gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit brachte. – Brigitte, 10. Oktober 2007
Das eigentlich Packende, Spektakuläre, ebenso Verstörende wie Erschütternde an dem Text sind die Nachrichten, Entdeckungen und Erkenntnisse, die Ada über ihren Vater, sein Werk, seine Beziehungen zu ihrer Mutter und zu seiner Halbschwester Augusta sammelt – Gerüchte, Halbwahrheiten und schockierende Einzelheiten, die nun tatsächlich wie drohende dunkle Schatten aus ferner Zeit über ihr Leben hereinbrechen. Schatten, die nicht nur ein aus lauter Puzzlesteinen zusammengesetztes bewegendes Porträt Lord Byrons ergeben, sondern dazu führen, dass Ada viele Jahre nach Byrons Tod noch zum Spielball zwischen den tödlich verfeindeten Ehepartnern wird. (…)
Weitab von dem, was man gemeinhin von einem historischen Roman erwartet, benützt Anita Siegfried die an sich nicht sehr bedeutende Ada Lovelace, um in einem virtuos komponierten, fast schon archäologisch prägnant gearbeiteten Text das frühe Beispiel einer Frau zu zeichnen, die mehr sein wollte als «ein gesunder englischer Frauenschoss» für die Fortpflanzung der Nation. Das Bild einer Frau, die sich den Konventionen trotzig widersetzte, mit aller Kraft einen eigenen, autonomen Weg suchte und gerade auch in ihrem Scheitern eine Grösse zeigte, der man die Bewunderung nicht versagen kann. – Der Bund, 28.11.2007
Zu den leuchtenden Stellen des Romans gehören Ausflüge zu den Angestellten des freiherrlichen Haushalts: zu Lizzy und Rose in die Küche, wo es brodelt und dampft von früh bis spät. (…) Pure Lesefreude verbreitet ein Besuch der Weltausstellung 1851, wo Babbage und Ada in der Maschinenhalle die neusten Erfindungen der modernen Technik bestaunen: „Spektakulärstes Objekt war ein mit Dampf betriebener Mähdrescher aus den USA.“ (…) Als Frau im Schatten ferner Jahre beschreibt Anita Siegfried Ada Lovelace. Sie hat nicht nur einen lohnenden Roman über eine hochbegabte, vielgestaltige Frau, sondern auch ein mitreissendes Panorama in vorviktorianischer Zeit geschaffen. – Schweizer Monatshefte, November 2007
Anita Siegfried trägt in „Die Schatten ferner Jahre“ allen Aspekten von Adas Leben Rechnung. Ada Lovelace wird beschrieben als eine junge Frau, die von ihrer Mutter derart bevormundet und eingesperrt wird, dass sie ihre Freiheit nur in der Mathematik und im Rausch finden kann. Der Leser erkennt die psychologischen Motivationen von Adas Handlungen und lebt, liebt und leidet mit ihr. Die besten Passagen des Buches sind aber dennoch jene, in denen Siegfried in einer poetischen Sprache die Aestethik der Mathematik erläutert. So wie in jenen Zeilen Lyrik unbd Mathematik verschmelzen, so werden auch Vater und Tochter symbolisch vereinigt, ganz im Sinne von Ada Lovelace, deren letzter Wunsch es war, in der Familiengruft der Byrons beigesetzt zu werden. – Tagblatt, Zeitung für Luxemburg, Juni 2008
Das sehr differenzierte Bild von Ada, das im Roman entsteht – höchst begabt und arbeitsam aber gleichzeitig launisch und inkonsequent – zeigt die allgemeine Bedingheit des Menschen an einem historischen Beispiel. Damit erfüllt Der Schatten ferner Jahre die doppelte Aufgabe eines historischen Romans, die drei Jahre nach Adas Tod formuliert wurde, die noch seine Gültigkeit hat und die darin besteht, ‘das Gemälde seines Zeitalters so zu entwerfen, daß wir die Kluft, die uns von demselben trennt, lebhaft empfinden, und uns doch zugleich den Weg zu bahnen, der uns das Verständniß desselben eröffnet’. Malcolm Pender, University of Strathclyde, Glasgow, UK, 2007